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Denkmäler öffnen ihre Türen in Viersen

Tag des offenen Denkmals am 8. Sep­tem­ber 2019

Offenes Landhaus für Frauen der Heil- und Pflegeanstalt Johannisthal (Fotos: Peter Abrahams)

„Jeder technische Fort­schritt und jede gesell­schaft­liche Ent­­wicklung bringen neue Möglich­keiten, aber auch Anfor­derungen für die Archi­tektur mit sich. Das äußert sich in Form, Gestaltung und Nutzung“, sagt die städ­tische Denk­malpflegerin Ellen Westerhoff. Diese Vielfalt spiegeln die Denk­mäler wider, die in diesem Jahr am bundes­weiten „Tag des offenen Denkmals“ am Sonntag, 8. Sep­tem­ber 2019 in Viersen besichtigt werden können.

Den Wandel vom Rauchhaus zum Wohn­stall­haus mit doppel­s­eitigem Kamin erkennen Gäste auf dem Lemme­janshof an der Brassel­straße leicht. Die Futterdeele zeigt noch die verrußte Decke, die der Rauch des offenen Feuers verursacht hat. Diese Konstruktion war vor Beginn des 30-jährigen Krieges 1618 gängig. Es gibt nur noch wenige Gast­­stätten mit Sälen auf dem Land. Geblieben sind nur die Erinnerungen an die vielen Festivitäten. Wie schlicht und trotzdem eindrucksvoll so ein Raum gewesen sein kann, zeigt der 1899 ent­standene „Saal Eickes“. Errichtet hat ihn der Gastwirt Gerhard Peeters in Süchteln-Vorst. Bis 1978 wurde die Gaststätte im Familien­besitz weiterführt. Nun wird sie als Loft erhalten.

Anstalten, Säle und Industrie­bauten verändern ihr Gesicht

Die „Reform des Irrenwesens“ 1897 hatte Einfluss auf die Architektur. Anstaltsähnliche Bauten und Anlagen waren nicht mehr ge­fordert. Ein­zelne Gebäude sollten über eine größere Fläche gruppen­weise verteilt liegen. Der „Land­haus­stil“ hielt Einzug ins Krankenhaus­wesen. Heute ist die Sicht auf Therapie, Heilung und Kosten eine völlig andere. Dem Leer­stand auf dem Klinik­gelände der ehemaligen „Heil- und Pflegeanstalt Johannisthal“ in Süchteln wird durch Privatisierung begegnet. Das ehemalige „Offene Wohnhaus für Frauen“ wird zur Park­residenz.

Franz Röhlen, Färbereibesitzer in Dülken, ließ für Tochter Ella und seinen Schwiegersohn Dr. Wilhelm Philipp 1910/1911 in Dülken ein Haus an der Viersener Straße errichten ließ. Die schlichte Straßenfassade verrät nicht, was im Inneren wartet: Das Treppen­haus fasziniert in seiner Größe und Ausstattung. Zudem hatte Dr. Philipp als erster approbierter Zahnarzt in Dülken hier seine Praxis. Das Genre „Wohnhaus mit Praxis“ nahm Einzug in der Architektur.

Fritz Fremerey hat nicht lange als Architekt mit seiner wachsenden Familie in Dülken gelebt und gearbeitet. Nur drei Bauvorhaben sind bekannt. Eines war der Umbau eines Lagers zum Wohnhaus für die Kaufmannsfamilie Clemens am Hühner­markt 16 im Jahr 1925. Fritz Fremerey vergaß Baukosten und Bauleitung. Die Folge war die Unzu­frieden­heit seiner Bauherren, die sich in Dülken vermutlich schnell rum­sprach. Schließlich zog er für kurze Zeit selbst hier ein. Ein späterer Be­wohner des Hauses am Hühner­­markt war Heinz Luhnen. Mit der Komposition der Hymne „Gloria tibi Dülken“ hat er sich in Dülken unsterblich gemacht.

Der sogenannte Kratzen­bau der Spinnerei C. H. Goeters ist ein gelungenes Beispiel für den Backstein­expres­sio­nismus in Viersen. Er war die letzte bauliche Erweiterung dieser Tra­di­tions­produktions­stätte der Textil­industrie im Jahr 1937/1938. „Kratzen“ oder „Karden“ war ein manueller Arbeitsschritt, der nun von Maschinen über­nommen wurde. Im Unter­­geschoss verbarg sich ein komplett ausgestatteter Luftschutz­keller.

Vortrag und Diskussion in der Villa V

Dem aktuellen Thema widmet sich ein Vormittags­programm in der Villa V. Gerda-Marie Voß lädt ein in das ehe­malige Wohn­­­haus von Walter Kaiser an der Burgstraße 4 in Viersen. Architekt Bernhard Pfau entwarf es in den Jahren 1931/1932 im Stil der Moderne. Um 11 Uhr erläutert Ellen Westerhoff, Denkmal­pflegerin der Stadt Viersen, hier in die Hintergründe des Mottos „Modern(e): Umbrüche in Kunst und Architektur“. Ab 11:30 Uhr erörtern Künst­lerin Prof. Dr. Eva Koethen (Leiterin des Instituts für Gestaltungs­praxis und Kunst­wissen­schaft an der Leibniz-Univer­sität Hannover), Prof. Dr. Antje Kapust (Institut für Philo­sophie an der Ruhr-Universität Bochum) und Siegfried Reusch (Gründer und Chefredakteur „Der Blaue Reiter“): „Revolutionäre Ideen oder tech­nische Fort­­schritte – wie führten diese Um­brüche zu neuen Kunst- oder Baustilen?“

Besichtigungs­termine

Zwischen 13 und 17 Uhr sind folgende Objekte für freie Besichtigungen geöffnet:

  • Wohnhaus mit Architekturbüro (Fritz Fremerey), Hühnermarkt 16, 41751 Viersen-Dülken
  • Wohnhaus mit Zahnarztpraxis (Dr. Wilhelm Philipp), Viersener Straße 13, 41751 Viersen-Dülken
  • Offenes Wohnhaus für Frauen der Heil- und Pflegeanstalt Johannisthal, Johannisstraße 96a, 41749 Viersen-Süchteln
  • Saal Eickes, Grefrather Straße 162, 41749 Viersen-Süchteln
  • Lemmejanshof, Brasselstraße 110, 41749 Viersen-Süchteln
  • Kratzenbau der Baumwollspinnerei Goeters, Ringstraße 7, 41747 Viersen

Ab 17 Uhr lädt der Betrieb Niehues hier zum Ausklang ein. Um 18 Uhr ist die Rückfahrt nach Boisheim, Dülken, Süchteln geplant.

Alles sehen auf der Bustour

Teilnehmen kann man auch an einer ge­führ­ten Bustour. Ein Aus- und Zustieg ist an allen Halte­stellen möglich: 13:20 Uhr Start in Süchteln, Bus­halte­stelle Westring, Fahrt­richtung Viersen. 13:40 Uhr Zusteige Mög­lich­keit Boisheim, Parkplatz St. Peter, Brüggener Straße. 14 Uhr Start Dülken, Zusteige Möglichkeit Dülken, Treffpunkt Hühner­markt 16. 14:15 Uhr Start in Viersen, Bus­halte­stelle Remigius Kirche, Fahrt­richtung Süchteln.